Faktenübersicht
Weltklimabericht: Ernährung und Landwirtschaft könnte viel bewegen

IPCC-Bericht:

„Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft könnten viel bewegen“

Short-Facts:

  • Die globalen Treibhausgasemissionen werden auf 55,9 Gigatonnen geschätzt.
  • Das Minderungspotenzial aus Ackerbau, Tierhaltung und der Agroforstwirtschaft wird auf 2,3 bis 9,6 Gigatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr bis 2050 beziffert.
  • Durch angepasste Ernährungsweisen könnten rund 0,7 bis 8 Gigatonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr eingespart werden.
  • Ein Drittel der weltweit produzierten Nahrung wird verschwendet statt gegessen – Weniger Verschwendung könnte ein nachhaltiges Landnutzungsmanagement, eine höhere Ernährungssicherheit und niedrige Emissionsverläufe ermöglichen.


Hintergrund

Was ist der IPCC?

Kühe grasen auf einer Wiese, im Hintergrund mehrere Industrieschlöte mit Abgasen

© Peggychoucair - Pixabay

Der Weltklimarat „Intergouvernemental Panel on Climate Change“ – kurz IPCC, besteht seit 1988 und wurde vom Umweltprogramm der UN (UN-Environ­ment) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. Das Gremium fasst im Abstand von knapp sechs Jahren den aktuellen Kenntnis­stand zum Klimawandel zusammen und bewertet diesen aus wissenschaft­licher Sicht. Der IPCC bietet eine Grundlage für wissenschafts­basierte Ent­scheidungen der Politik, spricht aber keine Handlungsempfehlungen aus. Der Bericht besteht aus 3 Teilen, die im Abstand weniger Monate veröffent­licht werden. Der 1. Teil befasst sich mit den Grundlagen des Klimawandels und schätzt die zukünftige Entwicklung des Klimas ab. Der 2. Teil zeigt die Aus­wirkungen auf Natur und Mensch sowie mögliche Anpassungen auf. Der 3. Teil widmet sich politischen und technologischen Klimaschutzmaßnahmen.
 

Was sind die Schwerpunkte des Berichts?

Der Bericht unterstreicht die Verknüpfung von Landnutzung und Klima und zeigt auf, wie sich die verschiedenen Formen der Landnutzung auf die Treibhausgasemissionen und das Klimasystem auswirken. Anhand von geeigneten Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise wird verdeutlicht, dass das menschliche Handeln entscheidend ist: Durch eine Umstellung bisheriger Ernährungsweisen und Landnutzung könnte ein Großteil der Emissionen eingespart werden – ohne die Ernährungssicherheit weiter zu gefährden.


Aktueller Sachstand

Was sind die Kernaussagen?

Nahezu 21–37 % der gesamten Treibhausgasemissionen (THG) sind auf das Nahrungsmittelsystem (Landwirtschaft, Landnutzung und Supply-Chain-Aktivitäten) zurückzuführen. Im Zeitraum 2007–2016 waren innerhalb des Ernährungssystems die wichtigsten Emissionsquellen der Angebotsseite die landwirtschaftliche Produktion – Sprich, die Erzeugung pflanzlicher und tierischer Lebensmittel, gefolgt von Landnutzungsänderungsdynamiken wie etwa die Entwaldung oder Moordegradation. Ohne Intervention könnten die Treibhausgasemissionen bis 2050 um etwa 30–40 % zunehmen, da die Nachfrage aufgrund des Bevölkerungs- und Einkommenswachstums potenziell ansteigen wird.

Anpassungsoptionen und ihre Machbarkeit

Der Weltklimarat unterscheidet zwischen machbaren und wirksamen Anpassungsoptionen, welche die Klimarisiken für Mensch und Umwelt reduzieren können. Inwieweit Anpassungsoptionen in der nahen Zukunft machbar werden, hängt von den jeweiligen Sektoren und Regionen ab. Die Machbarkeit kann gesteigert werden, wenn die Lösungsvorschläge integrierte sektorübergreifende Maßnahmen mit einbeziehen, die auch soziale Ungleichheiten und regiondifferente Klimarisiken berücksichtigen. Der Begriff Machbarkeit beschreibt im IPCC-Bericht das Umsetzungspotential einer Minderungs- bzw. Anpassungsoption. Die beeinflussenden Faktoren sind kontextabhängig, zeitlich dynamisch und können je nach Gruppe und Akteur variieren. Das bedeutet, dass sich Machbarkeiten verändern können – etwa, wenn verschiedene Optionen kombiniert werden, oder sich Rahmenbedingungen zu Gunsten der Machbarkeit verändern.

Die Machbarkeit hängt von geophysikalischen, umweltökologischen, technologischen, wirtschaftlichen, soziokulturellen und institutionellen Faktoren ab, die die Umsetzung einer Anpassungsoption ermöglichen, einschränken oder gar verhindern. Der Begriff Wirksamkeit bezieht sich auf das Ausmaß, in dem eine gewählte sektorale Anpassungsoption das klimabedingte Risiko voraussichtlich oder tatsächlich verringert. Die Minderungspotentiale werden in technisch, plausibel und machbar kategorisiert. So beschreibt das technische Minderungspotential das Reduktionspotenzial, welches unter technisch angepassten Rahmenbedingungen erzielt werden könnte. Im Ernährungssystem (Ackerbau, Tierhaltung und Agroforstwirtschaft) wird dieses z.B. mit einer Ausdehnung von 2,3 bis 9,6 Gigatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr bis 2050 beziffert.

Die Rolle der Land- und Fortwirtschaft

  • Emissionen von Nutzpflanzen und -tieren reduzieren
  • Kohlenstoffbindung in Böden und Biomasse fördern
  • Emissionsintensität nachhaltiger Produktionssysteme verringern

Konkrete Handlungsoptionen in der Land- und Forstwirtschaft wären eine nachhaltigere Bewirtschaftung von Äckern und Wald und eine Regeneration degradierter Flächen. Auch die Aufforstung, der Schutz von Moorböden und ein Vermeiden von Düngemethoden, die die Lachgas-Freisetzung aus Böden fördern, könnten einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Land- und Forstwirtschaft leisten. Zu Bedenken ist, dass eine weitreichende Aufforstung oder auch der Anbau von Energiepflanzen als Ersatz für fossile Brennstoffe zwar eine Möglichkeit darstellen, aber auch eine Flächenkonkurrenz für die Ackerflächen bedeuten, die benötigt werden, um die Lebensmittelversorgung der Menschen sicherzustellen. Landnutzungsänderungen müssen deshalb auch immer unter der Berücksichtigung der Flächengrenzen gedacht werden, um die Ernährungssicherheit nicht weiter zu gefährden.

Die Rolle der Ernährung

  • Konsumentscheidungen und Ernährungspräferenzen reflektieren
  • Durch angepasste Ernährungsweisen Treibhausgasemissionen verringern
  • Die Planetary Health Diet als Orientierung nutzen: Mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse – weniger Fleisch, Zucker und verarbeitete Lebensmittel
  • Lebensmittelverschwendung entlang der Wertschöpfungskette verringern

Durch Veränderungen in der Ernährungsweise könnten schätzungsweise 0,7 bis 8 Gigatonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr einspart werden. Dabei kann ein technisches Minderungspotential von 3,6 (0,3–8,0) Gigatonnen geschätzt werden. Davon werden THG-Einsparungen in Höhe von 2,5 (1,5–3,9) Gigatonnen als plausible angesehen und nur 1,7 (1,0–2,7) Gigatonnen als machbar eingeschätzt. Bezogen auf die globalen Treibhausgasemissionen von 55,9 Gigatonnen bedeutet das bei einem technischen Minderungspotential eine 2%ige, bei einem plausiblen Minderungspotential eine 1,4%ige und bei einem machbaren Minderungspotential eine 1%ige THG-Reduktion.

Aus dem Bericht geht hervor, dass eine ausgewogene Ernährungsweise aus pflanzenbasierten Lebensmitteln wie etwa Getreide, Gemüse und Obst sowie aus tierischen Erzeugnissen, die nachhaltig in emissionsarmen Systemen erzeugt wurden, bedeutende Möglichkeiten zur Eindämmung des Klimawandels darstellen. Die breite Entfaltung dieses Potenzials hängt allerdings maßgeblich von den Entscheidungen der Verbraucherinnen und Verbraucher und dessen Ernährungspräferenzen ab, die wiederum von sozialen, kulturellen sowie von traditionellen Faktoren geleitet werden und zudem vom jeweiligen Einkommenswachstum abhängen.

Laut IPCC könnten pflanzliche Fleischalternativen, In-vitro-Fleisch und Insekten perspektivisch beim Übergang zu einer nachhaltigeren Ernährungsweise helfen, wenngleich ihr ökologischer Fußabdruck und die Verbraucheraktzeptanz noch ungewiss sind. Außerdem betonen die Forschenden, dass die Verringerung der Lebensmittelverschwendung einen wesentlichen Beitrag leisten kann, da rund ein Drittel der gesamten weltweit produzierten Nahrung verschwendet statt gegessen wird. Könnte dieser Anteil verringert werden, würde ein nachhaltigeres Landnutzungsmanagement, eine konstante Ernährungssicherung und niedrigere Emissionsverläufe zukünftig möglich werden.


Fazit des IPCC-Berichts

Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass in der Landwirtschaft und dem Ernährungssystem Potentiale für die Reaktion auf den globalen Klimawandels liegen: Durch die Kombination von Maßnahmen der Angebots- und Nachfrageseite, etwa durch eine Effizienzsteigerung in der Produktion und Logistik sowie etwaigen Interventionen im Kontext der Lebensmittelauswahl und der Verringerung von Lebensmittelverlusten/-verschwendung, könnten die Treibhausgasemissionen reduziert und die Widerstandsfähigkeit des Lebensmittelsystems verbessert werden. Für die erforderlichen Maßnahmen im gesamten Lebensmittelsystem müssten laut IPCC durch Politik, Märkte und Institutionen günstige Rahmenbedingungen für die Implementierung geschaffen werden.


Weitere Literaturhinweise

  • Special Report: Climate Change and Land. Im Internet unter: https://www.ipcc.ch/srccl/; https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_FinalDraft_Chapter02.pdf.
  • Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger. Klimawandel und Landsysteme. Im Internet unter: https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2020/07/SRCCL-SPM_de_barrierefrei.pdf?msclkid=a812d1b8d11b11ecb32143c6fb4a996c.
  • Was ist der IPCC? Im Internet unter: https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/was-ist-der-ipcc-100.html.