Regional is(s)t gut! Bayerischer Kongress Gemeinschaftsverpflegung am 17. Mai in Nürnberg zeigt wie es geht.

Gv Kongress Kaniber - Neu

Ernährungsministerin Michaela Kaniber ermutigte am GV Kongress die Teilnehmenden, neue Wege zu gehen.

Die Fragen „Wo kommt unser Essen her? Und wie werden unsere Lebensmittel produziert?“ bewegen immer mehr Verbraucher. Der Gedanke „Vom Acker auf den Teller“ beschäftigt auch die Gäste in der Gemeinschaftsverpflegung. Erzeugnisse aus der Region sind so gefragt wie noch nie. „Regionalität“ steht dabei für die Herkunft der Lebensmittel, regionale Kreisläufe, kurze Wege, nachhaltiges Handeln und Transparenz. Von der Kita- und Schulverpflegung, über die Betriebsgastronomie bis hin zur Verpflegung in Senioreneinrichtungen wollen alle Beteiligten mit gutem Essen begeistern. Dabei führt sie der Weg hin zu immer mehr Regionalität.
Wie aber kann dieser Ansatz erfolgreich in der Gemeinschaftsverpflegung umgesetzt werden? Antworten und interessante Anregungen gaben die zahlreichen Referenten beim Bayerischen Kongress Gemeinschaftsverpflegung „Regional is(s)t gut!“ am 17. Mai 2019 im Heilig-Geist-Saal in Nürnberg. In Fachvorträgen und Diskussionsrunden berichteten Praktiker aus verschiedenen Bereichen der Gemeinschaftsverpflegung den rund 130 Teilnehmern von ihren Erfahrungen und ihrem engagierten Einsatz für mehr Regionalität auf den Tellern.

Für immer mehr Menschen ist Essen weit mehr als gut und preiswert satt zu werden. Dieser Trend ist mittlerweile auch in der Gemeinschaftsverpflegung angekommen. Der Umgang mit unseren Ressourcen ist auch hier ein großes Thema. Mit rund 1,7 Millionen Essen am Tag hat die Gemeinschaftsverpflegung einen großen Einfluss. „Sie gestalten mehr als nur einen Speiseplan.“ betonte Ernährungsministerin Michaela Kaniber zu Beginn der Veranstaltung und ermutigt die Akteure neue Wege zu gehen um den Menschen regionale Verpflegung schmackhaft zu machen, denn „Wir bauen keine Mauern, nein wir setzen Segel."
Guido Winter, Leiter des KErnZoombild vorhanden

Guido Winter, Leiter des KErn eröffnete den GV Kongress in Nürnberg.

Akteure der Gemeinschaftsverpflegung sind mit Herausforderungen konfrontiert
Auch für Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern e. V., ist eine gute Qualität und die richtige Einstellung zu den Lebensmitteln entscheidend. Sie fordert auf, Regionalität gefühlvoll und mit Herz und Verstand umzusetzen.
Allerdings sehen sich die Akteure der Gemeinschaftsverpflegung i. d. R. mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Bei der Einführung von regionalen und ökologischen Produkten müssen z. B. Einkauf, Speisenplanung und Arbeitsabläufe optimiert werden. Regionale Produkte können z. T. mehr Flexibilität erfordern, weil sie sich ggf. in Gebindegrößen, Form, Gewicht und Verarbeitungsgrad von den bisher verwendeten Produkten unterscheiden. Entscheidend für den Erfolg ist die Offenheit, Einkaufskonditionen, Lieferanten sowie Küchenmanagement genau unter die Lupe zu nehmen und hinsichtlich Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Wichtig ist eine gute Beziehung zu regionalen Erzeugern und Verarbeitern aufzubauen.

Im Laufe der Veranstaltung beleuchteten die Referenten Regionalität entlang der gesamten Wertschöpfungskette aus den verschiedenen Perspektiven, vom Erzeuger bis auf den Teller der Gäste. Sie schilderten ausführlich welchen Herausforderungen sie sich immer wieder stellen müssen und wie sie diese angehen.

Referenten berichten aus der Praxis

In der Diskussinsrunde gingen die Referenten auf Fragen aus dem Publikum einZoombild vorhanden

Während der Diskussionsrunde gingen die Referenten auf Fragen aus dem Publikum ein.
(v.l. Florian Schrei Moderator beim BR, Michael Böhm von Ecozept,Olga Graf von FoodKompanions, Florian Reiter vom Chiemgauhof, Angelika Lintzmeyer, Biostadt München; Jürgen Lochbihler, BayernOx)

Persönlicher Austausch und Vertrauen aller Beteiligter ist für den Erfolg wichtig
Direkt zu Beginn wagte Olga Graf von der Agentur Food Kompanions einen Blick in die Zukunft. Anhand verschiedener fiktiver Szenarien zeigte sie, welchen Stellenwert Regionalität in der Mensa von morgen spielen könnte. Sie betonte die große Verantwortung, die Kitas, Schulen und Mensen in Bezug auf die Gemeinschaftsverpflegung haben. „Um zukunftsfähige Konzepte entwickeln zu können ist es wichtig alle Akteure zu motivieren gewohnte Strukturen zu verlassen und neu zu denken“, so die Wissenschaftlerin.

Michael Böhm (Ecozept) nahm die Teilnehmer mit auf eine Reise zu unseren französischen Nachbarn und beschrieb eindrucksvoll die dort bestehenden regionalen Vermarktungs- und Vernetzungsinstrumente. In verschiedenen Projekten begleitet Ecozept französische und deutsche Gebietskörperschaften unterschiedlicher Größe sowie Verbände bei der Einführung von bio-regionalen Produkten in der Außer-Haus-Verpflegung und dem Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten. Böhm betonte wie wichtig persönlicher Austausch und das Vertrauen aller Beteiligten ist und dass es bei solchen Projekten immer einen „Kümmerer“ geben muss, der die „Sprache“ der Akteure spricht.
Zusammenschlüsse von Erzeugern stellen Versorgung mit regionalen Produkten sicher
Für Jürgen Lochbihler (BayernOx® und der Pschorr) sind Zusammenschlüsse von Erzeugern unerlässlich um die Versorgung mit regionalen Produkten jenseits von Discounter und Co sicherzustellen. Gemeinsam mit anderen Wirten der Innenstadt München hat er eine Möglichkeit erarbeitet, um Rindfleisch aus der Region in größeren Mengen und mit dem Ansatz der Ganztierverwertung (Nose to Tail) zu verarbeiten. Dies erfordert jedoch genaue Absprachen zwischen den Wirten, um sicher zu stellen, dass alle Teile des Tieres einen Abnehmer finden. Lochbihler ruft dazu auf, sich wieder mehr mit den Produkten auseinanderzusetzen und die Herkunft der Lebensmittel auch mal kritisch zu hinterfragen. Regionalität muss nicht nur an die Gäste kommuniziert sondern auch bei den Mitarbeitern fest verwurzelt werden.

Auch Angelika Lintzmeyer von der Biostadt München rät bäuerlichen Betrieben dazu, sich zu Erzeugergemeinschaften zusammenzuschließen um auf Nachfragen reagieren zu können. Die Biostadt München unterstützt dabei, durch Information und Vernetzungsaktivitäten.
Als ein Partner der Stadt München stellte Florian Reiter (Chiemgauhof Locking) u. a. seine Initiative Zweinutzungshuhn vor. Dabei handelt es sich um eine Tierrasse, die nicht einseitig auf eine Leistungsart hin gezüchtet ist und bei der sowohl männliche Gockel als auch weibliche Legehennen aufgezogen werden. Der Gockel ist eine gastronomische Spezialität, die bei sachgerechter Zubereitung von den Gästen sehr geschätzt wird. Mehr Tierwohl, guter Geschmack, Wirtschaftlichkeit und eine positive Kommunikation zwischen allen Beteiligten schaffen eine zufriedene Beziehung zwischen den Marktpartnern und fördern eine Vernetzung durch Empfehlungen und Interesse am und für das Produkt. Dies erfordert jedoch kontinuierliche Vermarktungs- und Netzwerkarbeit.
Für die Gemeinschaftsverpflegung lässt sich der Bedarf an regionalen Lebensmitteln decken
Wie ein solches Produkt in der Küche verarbeitet wird, beschrieb Jürgen Wiesenhofer (Rathauskantine und Polizeikantine München). In seiner Küche wird die Ganztierverarbeitung aktiv gelebt. Jeden Tag steht ein anderer Teil des Gockels auf dem Speiseplan. Wiesenhofer weist aber darauf hin, dass ein Tier mit einer höheren Qualität z. B. auch eine längere Garzeit benötigt. Dementsprechend müssen die Abläufe in der Küche darauf ausgerichtet bzw. entsprechend angepasst werden. Günter Fleischmann (Kantine Baureferat München) berichtete, dass früher ganz selbstverständlich saisonale und regionale Produkte verwendet wurden. Heute muss wieder gemeinsam aktiv daran gearbeitet werden das Bewusstsein für qualitativ hochwertige regionale Produkte zu stärken. Dazu gehört auch die endsprechende Handwerkskunst des Kochens. Die Menschen sind aber nicht immer unbedingt bereit mehr Geld für bioregionale Lebensmittel auszugeben. „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist teuer“ brachte der Gastronom es auf den Punkt.

„Der Tagesbedarf an Lebensmitteln für Mitarbeiterrestaurants muss aus regionalem nachhaltigem Anbau und regionaler artgerechter Tierhaltung gedeckt werden.“ So die Vision von Michael Holzmann und Valentin Belser vom Projekt „Green Canteen“. Ein großes Problem sehen sie darin, dass aufgrund einer Kommunikationslücke zwischen Erzeugern und Abnehmern, Angebot und Nachfrage oft nicht zusammenfinden. Diese Lücke soll nun geschlossen werden. Gemeinsam entwickelt die Projektgruppe eine digitale Plattform für regionale, saisonale und ökologische Menüplanung und –bereitstellung. Dabei sollen Menüpläne nach regionaler Verfügbarkeit der Lebensmittel erstellt werden und die Küchenleiter können die benötigten Produkte direkt über die Plattform bestellen.
Zu wissen, wo die Lebensmittel herkommen, ist für die Vermarktung ein großer Vorteil
Dass Regionalität nicht losgelöst von weiteren Bedürfnissen betrachtet werden kann, stellte Manuela Rehn von GrüneKöpfe Strategieberatung fest. Die meisten Menschen verbinden mit Regionalität ihren Nahbereich. Aber jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass „Mist auch Mist bleibt, wenn er aus der Region kommt“. Ein regionales Produkt muss hochwertig sein, um ein gutes Produkt zu sein. Es geht oft nicht nur um die räumliche, sondern auch um die emotionale Nähe zum Produkt. Wer regionale Produkte erfolgreich vermarkten möchte, muss Geschichten verkaufen. Mit Bildern der Erzeuger oder Besuchen vor Ort kann Regionalität erfolgreich an die Gäste kommuniziert werden. So wird sie für alle Gäste der Gemeinschaftsverpflegung erlebbar, vom Kindergartenkind bis zum Senior.

Dies kann auch Silvia Popp von der evangelischen Montessori-Kita der Erlöserkirche in Würzburg so unterschreiben. Auch sie nutzt Besuche bei ihren Lieferanten, um den Kindern zu zeigen wo die Lebensmittel herkommen. So wird nicht nur Herkunft sondern auch Wertschätzung vermittelt. In kurzer Zeit hat Popp sich ein umfangreiches Lieferantennetzwerk aufgebaut. Die Vorteile liegen für sie ganz klar auf der Hand. Der Kontakt mit den Betrieben ist persönlicher und Preis- und Konditionsverhandlungen dadurch i. d. R. für beide Seiten flexibler und erfolgreicher. Durch die kurzen Wege wird die Frische der Produkte garantiert. Weitere Absatzmöglichkeiten, die sich über Eltern und Mitarbeiter ergeben, können bei Preisverhandlungen helfen, da größere Mengen abgenommen werden können.

Ähnliche Vorteile sieht auch der Praktiker Lorenz Heri, „Die Kochmanufaktur GmbH“. Er betreibt mehrere Betriebsrestaurants nach dem Motto „Radikal lokal, kompromisslos frisch“. Je nach Saison beträgt der Anteil von regionalen Zutaten in seinen Küchen bis zu 90 %. Die geprüften Erzeuger stammen aus der direkten Umgebung, ihre Höfe und Läden stehen für Besichtigungen offen. Wo immer es möglich ist kooperiert Heri mit Direktvermarkten und ist so das Bindeglied zwischen den Erzeugern und seinen Gästen. Dies bedeutet natürlich eine gewisse Mehrarbeit aber „wenn man Netzwerke sucht, dann findet man sie auch“ so die ganz klare Meinung des Gastronomen. Für ihn besteht der Mehrwert nicht nur in einer guten Produktqualität, sondern vor allem in stolzen Mitarbeitern und Erzeugern.

Vom österreichischen Projekt „Mehrwert für Alle“ berichtete der gelernte Koch Alexander Kowarc. Dabei handelt es sich um ein Projekt zur nachhaltigen Regionalentwicklung für mehr Vorarlberger Lebensmittel in Gastronomie und Gemeinschaftsküchen, zur Vernetzung von Landwirtschaft und Küche sowie für höhere Wertschätzung heimischer Lebensmittel. Mit Kochworkshops, Betreuung der Küchen vor Ort und Vernetzungsveranstaltungen wurden die Akteure auf ihrem Weg zu mehr Regionalität begleitet. Auch hier zeigte sich einmal mehr wie wichtig die Kommunikation zwischen Koch und Landwirt ist. Es ist eine große Herausforderung Angebot und Nachfrage zusammenzubringen um diese Lücke zu schließen.
Anbieter und Nachfrager an einen Tisch bringen
Auch in Bayern gibt es zahlreiche Anbieter und Nachfrager. Herausforderung ist es, diese zwei Parteien künftig erfolgreich zusammen zu bringen. Mit den acht Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung (FZ) an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) sowie zahlreichen Kooperationspartnern sind schon starke Netzwerke und Strukturen vorhanden, die künftig weiter ausgebaut werden sollen. Um das Angebot an bioregionalen Produkten in der Gemeinschaftsverpflegung zu steigern, sollen die Akteure mit konkreten Angeboten unterstützt werden, so Angelika Reiter-Nüssle vom zuständigen Referat im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ein neuer „Wegweiser für die Vergabe – Ausschreibung von Verpflegungsleistungen“ gibt konkrete Hilfestellung für die Ausschreibung von Gemeinschaftsverpflegung mit regionalen und biologischen Lebensmitteln. Bundesweit erstmalig gibt der Wegweiser umfassende Formulierungshilfen, wie Regionalität und der Einsatz von Gütezeichen wie „Geprüfte Qualität“ und „Bio-Siegel“ des Freistaats Bayern berücksichtigt werden können. Eine Plattform speziell für die Gemeinschaftsverpflegung soll künftig dabei unterstützen Erzeuger und Gemeinschaftsverpfleger zusammenzubringen. Sie wird voraussichtlich Ende 2019 zur Verfügung stehen.

Für weitere Informationen zu den Vortragsinhalten und den Referenten wenden Sie sich bitte an: poststelle@kern.bayern.de

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