1. Bayerisches Symposium gegen Lebensmittelverschwendung

Du bist, was Du aufisst!

Unter diesem Motto stand das 1. Bayerische Symposium gegen Lebensmittelverschwendung. Die bis auf den letzten Platz ausgebuchte Veranstaltung zeigte den dringenden Handlungsbedarf auf. Gemäß verschiedenen Studien beläuft sich die Verschwendung essbarer Lebensmittel bundesweit auf 50 bis 80 kg pro Kopf und Jahr. Nicht umsonst hat sich deshalb das Bayerische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schon früh der Rettung von Lebensmitteln gewidmet. So betonte Ministerialrätin Marion Kratzmair in ihrer Begrüßung den hohen Stellenwert, der der Rettung von Lebensmitteln zukommt: „Mit dem Bündnis „Wir retten Lebensmittel!“ wollen wir bis 2030 in Bayern die Halbierung von Lebensmittelabfällen erreichen. Dazu haben sich die Bündnispartner auf 17 Maßnahmen geeinigt, von denen bis auf zwei bereits alle umgesetzt sind oder sich in der Umsetzung befinden.“ Eine dieser umgesetzten Maßnahmen ist beispielsweise das Mindesthaltbarkeitsdatum von Milch und Milchprodukten. Mit dem auf der Verpackung deutlich sichtbaren Hinweis „Riech mich, probier mich, häufig bin ich noch gut“ sind Verbraucher aufgefordert, die Qualität erst zu prüfen und dann zu entscheiden, ob das Lebensmittel noch zum Verzehr geeignet ist. Gemäß der Aussage von Marion Kratzmair haben Verbraucher diese Maßnahme gut angenommen und sind damit auf einem guten Weg. Auch der Lebensmittelführerschein ist eine sinnvolle Maßnahme, das Thema Ernährung fächerübergreifend in Schulen zu bringen und Kinder schon früh für Ernährung zu sensibilisieren. Auch wenn es gemäß der Ministerialrätin keinen Königsweg zur Rettung von Lebensmitteln gibt, führen viele kleine Schritte und Maßnahmen zum Erfolg.

In der Mitte des Vortragsraums sind Kisten mit geretteten Lebensmitteln zu sehen

So befasste sich auch der Vortrag von Maria Gerullis, wissenschaftliche Mitarbeiterin des KErns, mit hilfreichen Tipps, wie sich in privaten Haushalten Lebensmittelverschwendung vermeiden lässt. Denn laut wissenschaftlichen Untersuchungen sind gerade Verbraucher die Gruppe, mit den meisten Lebensmittelabfällen. Gemäß der KErn-Studie von 2014 lassen sich in privaten Haushalten 544.000 Tonnen Lebensmittelabfälle pro Jahr vermeiden. Dabei können Kleinigkeiten schon Großes bewirken. So ist eine sinnvolle Planung der Mahlzeiten ein erster Schritt, der in zweiter Linie das Einkaufen und Kochen erleichtert und bereits im Ansatz der Lebensmittelverschwendung entgegenwirkt. Auf diese Weise vermeiden Verbraucher zu viele Lebensmittel einzukaufen. Auch die richtige Lagerung ist ein wesentlicher Aspekt, der sich gerade bei Obst und Gemüse bemerkbar macht. So sollten beispielsweise Auberginen und Gurken nicht im Kühlschrank aufbewahrt werden, da sie schneller verderben. Auch die restlose Verwertung ist kein Problem, denn Gewürze können auf raffinierte Art den Geschmack von Speisen verändern, so dass ein Essen vom Vortag nicht gleich schmeckt.
Moderne Technik im Einsatz
Eine andere Methode Lebensmittelverschwendung zu vermeiden basiert auf der Nahinfrarotspektroskopie. Dr. Peter Muranyi vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) befasste sich in seinem Vortrag mit dem Food-Scanner. Der Fachmann betonte, dass die Lebensmittel in Deutschland so sicher wie noch nie sind, was nicht zuletzt am industriellen Fortschritt liegt. Dennoch sind rund 51 Prozent der Verbraucher nicht in der Lage, Nahrungsmittelsicherheit richtig einzuschätzen. So bedeuten Qualitätsveränderungen bei Lebensmittel nicht automatisch, dass diese ungenießbar sind. Doch aus Unsicherheit heraus würden viele Verbraucher Lebensmittel wegwerfen. Um hier der Lebensmittelverschwendung Einhalt zu gebieten, setzt der Food-Scanner genau an diesem Punkt an. Das Gerät soll künftig bei der Einordnung der Verzehrfähigkeit helfen. Auch wenn Verbraucher derzeit den Food-Scanner noch nicht kaufen können, ist diese technische Entwicklung in der Lage, künftiger Verschwendung von Lebensmitteln entgegenzuwirken.

Der Vortrag „Fruchtqualität auf Knopfdruck“ von Professorin Heike Mempel, an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, zeigte den Einsatz zerstörungsfreier Messungen von Qualitätsparametern. Auch hier kommen Food-Scanner zum Einsatz, aber dieses Mal nicht für Verbraucher, sondern für Produzenten. Dank der zugrundeliegenden Nahinfrarotspektroskopie lassen sich verschiedene Qualitätsparameter messen und in einem Arbeitsgang ermitteln. Das führt dazu, dass frische Produkte, die beispielsweise durch Witterungseinflüsse eine geringere Produktqualität aufweisen als gewünscht, gar nicht erst in den Handel kommen, sondern anderweitig verarbeitet werden. Damit lässt sich der Warenfluss sensibler und verderblicher Produkte gezielter steuern und Verluste reduzieren.
Stapel von Kisten mit geretteten LebensmittelnZoombild vorhanden

Auch Lebensmittel mit kleinen Schönheitsfehlern sind genießbar

Gelungene Beispiele zur Rettung von Lebensmitteln
Mit einer Live-Demonstration zeigte Günes Seyfarth, Gründerin und Vorstand von Foodsharing München, eindrücklich die Ausmaße der Lebensmittelverschwendung. Die im Vortragssaal ausgebreiteten Lebensmittel hatten Mitglieder von Foodsharing nur wenige Stunden zuvor bei Lebensmittelgeschäften eingesammelt. Alles war essbar und bis auf wenige „unschöne“ Stellen einwandfrei. Dennoch wären diese Produkte in den Müll gewandert, gäbe es nicht Organisationen, die dieser Verschwendung entgegenwirken. Die Lebensmittelretterin hat es sich zum Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung sichtbar zu machen und Verbraucher so zu einem Umdenken zu bewegen. Zudem forderte sie auf, Lebensmitteln wieder ihren Wert zu geben, den sie verdienen. Hierbei sei nicht nur der Verbraucher gefordert, sondern auch die Politik, die Ernährung wieder in das Bildungsprogramm aufnehmen müsse. Es sei wichtig, bereits bei den Kleinen der Gesellschaft anzufangen.

Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt auch Sonja Vanderhaeghen, Vorstand des Gemeinschaftsgartens Knollen & Co. Sie und ihre Mitstreiter sammeln zwar keine Lebensmittel ein und verteilen diese auch nicht. Doch mit ihrem Projekt des Gemeinschaftsgartens fördern sie das urbane Gärtnern. Gegen einen kleinen monatlichen Beitrag können Interessierte im Gemeinschaftsgarten mitarbeiten und gemeinsam Obst und Gemüse anbauen, ernten und selbstverständlich auch genießen. Laut Sonja Vanderhaeghen fördert der Eigenanbau einen respektvolleren Umgang mit Lebensmitteln, da es wieder greifbar wird, wieviel Aufwand in Lebensmitteln steckt. Die geernteten Mengen reichen zwar nicht für eine komplette Selbstversorgung aus, doch der Spaß beim Gärtnern und das schmackhafte Resultat tragen erheblich zum respektvollen Umgang mit Lebensmitteln bei und sind damit auch eine Möglichkeit, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.

Dr. Jenny Müller, Geschäftsführerin und Gründerin von DIE FRISCHEMANUFAKTUR, hat einen anderen Weg im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung gewählt. Als ehemalige Mitarbeiterin in der Konzernstrategie bei der REWE Group weiß sie, dass Einzelhändler ihre frischen Obstsalate nach einem Tag aus dem Regal nehmen und neue Waren einstellen. Rund 30 Prozent der Obstsalate werden jedoch nicht ab verkauft und wandern in den Müll. Doch diese Verschwendung wollte die Start-up-Gründerin nicht akzeptieren. Ihr Unternehmen stellt geschnittenes Obst her, das deutlich länger haltbar ist, als die bisher üblichen 24 Stunden. Dank hoher Hygiene während der Produktion, technisch verfeinerter Schutzatmosphäre und Vitamin-C-Coating ist es ihr und ihrem Team gelungen, frisch geschnittenes Obst für 10 Tage haltbar zu machen. Auf diese Weise leistet die Jungunternehmerin einen aktiven Beitrag zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.

10 goldene Regeln gegen Lebensmittelverschwendung

Food-Art-Ausstellung "65 Kilogramm" - Wir retten Lebensmittel. 16. Juli bis 10. August 2018 im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Hintergrund:
Nach einer Studie der Universität Stuttgart von 2012 wirft jeder Bürger in Deutschland durchschnittlich 81,6 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr in den Müll. In Bayern liegt der Verlust bei 65 Kilogramm Lebensmittel pro Kopf und Jahr. Das Bündnis „Wir retten Lebensmittel!“ am Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wurde im Oktober 2016 gegründet, um gemeinsam mit allen Akteuren der Wertschöpfungskette Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung umzusetzen. Dazu zählt auch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für eine größere Wertschätzung im Umgang mit Lebensmitteln.
Die Ausstellung:
In Bayern werden im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt weniger Lebensmittel weggeworfen. Die Menge beträgt 65 Kilogramm pro Kopf in einem Jahr. Die Ausstellung zeigt deshalb eine Anzahl von Bildern, deren Zutaten sich auf knapp 65 Kilogramm Lebensmittel zusammenzählen lassen. Die fotografierten und als Bild ausgestellten Installationen veranschaulichen, wie die noch unverbrauchten Lebensmittel in der jeweiligen Kombination zur Zubereitung einer wohlschmeckenden und hochwertigen Mahlzeit nutzbar wären, wenn sie nicht achtlos entsorgt werden. Außerdem sind sechzehn Motive aus der Serie „selfstudy“ zu sehen, die während der Projektphase der Fotoausstellung entstanden sind. Über einen Zeitraum von rund sieben Monaten dokumentierten die beiden Fotografen ihre persönlichen Lebensmittelverluste.
Die Idee:
Mit ihrem Projekt „81,6 kg Food Art“ wollen die beiden Fotografen Julia Ruby Hildebrand und Ingolf Hatz diese Zahl greifbar machen und veranschaulichen, wie viele Lebensmittel das sind. Jedes Bild steht stellvertretend für eine Mahlzeit. Die fotografierten Lebensmittel haben sie gewogen und in Seidenstrümpfe verpackt. Entstanden sind 30 außergewöhnliche Aufnahmen, die in ihrer Summe 81,6 Kilo schwer sind. Um das Projekt für den Betrachter auch sinnlich erfahrbar zu machen, haben
sie ihre Kunstfotos in Rezepten interpretiert und alles in einem Kunstkochbuch zusammengefasst. Im ersten Teil des Buches „81,6 kg – Food Art Book“ werden die Kunstbilder mit dem dazugehörigen Gewicht und dem jeweiligen Rezeptfoto verknüpft. Im zweiten Teil finden sich die von Chefkoch Mike Oehlke kreierten Rezepte zum Nachkochen.
Die beiden Fotokünstler wollen mit ihrem Projekt auf die Themen Lebensmittelverluste und Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen und zum Nachdenken anregen. Sie möchten den Betrachter aus einer anderen Perspektive für den achtsamen Umgang mit Lebensmitteln sensibilisieren. Der visuelle Schwerpunkt liegt auf den seriell ausgearbeiteten Food-Installationen die in großformatigen Fotografien gezeigt werden. Diese kunstvollen Bilder sollen einen Anreiz bieten, Lebensmittel zu verarbeiten bevor Abfall überhaupt entsteht.
Die Fotografen:
Nach ihrer Ausbildung zur Fotografin in Stuttgart, studierte Julia Ruby Hildebrand (*1980) Fotodesign an der Hochschule München mit Schwerpunkt experimenteller Fotografie. Seit 2010 arbeitet sie als freischaffende Fotografin.
Ingolf Hatz (*1964) studierte an der School of Communication Arts Minneapolis und arbeitet seit Mitte der 90er Jahre als freier Fotograf. Neben der Auftragsfotografie konzentriert er sich vor allem auf freie Arbeiten. Ende 2010 haben sie ihr gemeinsames Projekt „augustundjuli“ gestartet. Das Künstlerkollektiv findet seine Projekte in den unterschiedlichsten Bereichen unserer Umwelt, Kultur und Gesellschaft. Während ihrer Zeit in Berlin (2012 – 2014) entstand die Idee zur Serie „81,6 kg Food Art“.