Portrait Prof. Dr. med. Hans Hauner
"Wir brauchen eine stärkere Vernetzung verschiedener Disziplinen"

Portrait Prof. Dr. med. Hans Hauner

Prof. Dr. med. Hans Hauner; Foto: EKFZ für Ernährungsmedizin der TU München

Das Forschungsfeld von Prof. Dr. med. Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius Zentrums für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München, ist breit gefächert: Seine fachlichen Schwerpunkte liegen auf der Erforschung von ernährungsmitbedingten chronischen Erkrankungen wie Adipositas und Typ 2 Diabetes. Darüber hinaus widmet er sich grundlagenwissenschaftlichen Themen wie dem Zusammenhang zwischen Ernährung und dem Genom oder Public-Health-Projekten wie "Gesund leben in der Schwangerschaft" (GeliS). Seit neuestem ist er auch Leiter und Sprecher des interdisziplinären Forschungsclusters „enable“.

Austausch über Fachgrenzen hinaus

Im neuen „enable“-Cluster werden die Bedürfnisse von Menschen in kritischen Lebensphasen berücksichtigt. Das Besondere ist jedoch die Vernetzung verschiedenster Partner und Kompetenzen. „Vier Universitäten, mehrere Institute, Industriepartner von Lebensmittelproduktion über Handel bis zu Startups aus der ICT*-Branche – es ist zum ersten Mal gelungen, verschiedene Disziplinen zusammenzubringen“, so Prof. Hauner. „Wir brauchen diese engere, stärkere Vernetzung der Disziplinen, denn das Thema Ernährung greift in verschiedene Lebensbereiche ein. Aus den Kooperationen, die es bisher in dieser Form nicht oder zumindest nicht oft gab, erhoffen wir uns, neue Wege zu beschreiten!“ Der Ernährungsmediziner freut sich vor allem auf die interdisziplinäre Arbeit: „Es macht Spaß, mit anderen Wissenschaftlern zu diskutieren, die ganz andere Denkansätze haben. Man lernt voneinander unglaublich viel – das finde ich sehr stimulierend.“
* Information and communication technology

Vernetzung zur Wirtschaft

Das Cluster verfolgt aktiv Partnerschaften aus Ernährungswissenschaftlern und Industrie, die in Deutschland eher negativ gesehen werden. „Es ist aus meiner Sicht falsch, dass Wissenschaftler, die mit der Wirtschaft zusammenarbeiten unter Generalverdacht stehen. Natürlich müssen wir die verschiedenen Interessen auseinanderhalten“, hebt er hervor. „Wir können forschen, können Ideen geben und sollen kritisch sein. Am Ende brauchen wir aber vernünftige Partnerschaften mit Industrieunternehmen, um das Ziel einer gesünderen Ernährung zu erreichen und am Ende auch in den Markt zu tragen.“
Neue Wege zur Zielgruppe
„Enable“ umfasst eine Reihe attraktiver Projekte. Es sollen u. a. die Wege der Ernährungskommunikation verbessert und moderner gestaltet werden. Jedes Projekt wird streng evaluiert, dem haben sich alle Partner verschrieben. In der Internet- oder Smartphone-basierten Kommunikation gibt es gerade für das Thema Gesundheit erheblichen Forschungsbedarf. Aber auch die Nutzung sozialer Netzwerke lässt viele Fragen offen: Wie können die neuen Medien für die Ansprache genutzt werden? Wo sind Stärken? Wo liegen die Schwächen? Und was erreicht man letztendlich damit wirklich? „Wir haben das Problem, dass die Leute, die uns Wissenschaftlern zuhören, ohnehin schon gut informiert sind“, betont Prof Hauner. „Die anderen erreichen wir nicht, weil sie für das Thema gesunde Ernährung wenig Interesse haben. Wir erhoffen uns durch das neue Cluster, dass wir Zielgruppen ansprechen, die bisher schwer zu erreichen waren. Wir werden z. B. Informatikstudenten einladen, Spiele für Jugendliche zu entwickeln, denn mit konventionellen Informationsangeboten erreichen wir diese Zielgruppe kaum. Sie lernen dann spielerisch, wie man sich gesünder ernährt und nicht klassisch edukativ. Dies könnte ein neuer erfolgreicher Ansatz sein!“
Moderne Ernährung – gesundes Fast Food?
Nicht nur die Kommunikation hat sich verändert, unsere Ernährung unterliegt ebenfalls einem ständigen Wandel: Der Außer-Haus-Verzehr nimmt stetig zu, wir snacken mehr zwischendurch. Der Fast-Food-Trend ist nicht mehr zu stoppen und Fertiggerichte haben in vielen Familien einen festen Platz eingenommen. „Ich sehe hier ein riesiges Potential, über technologische Verfahren gesünderes Fast Food herzustellen“, so Hauner. „Wir müssen die beliebten Lebensmittel wie Hamburger oder Pizza in den Fokus nehmen und gesündere Rezepturen entwickeln.“ Das „enable“-Cluster beinhaltet daher eine ganze Reihe von Projekten, die darauf abzielen, genauso gut schmeckende Alternativen zu schaffen, die jedoch gesünder sind. „Hamburger & Co. haben eine hohe Energiedichte, sind meist fett-, zucker- sowie salzreich und arm an Ballaststoffen. Wir legen aber allergrößten Wert darauf, dass Lebensmittel in der Weise gesünder gemacht werden, dass sie eben nicht an Akzeptanz beim Verbraucher verlieren“, erklärt Hauner.
Mehr Innovationen und Grundlagenforschung
Geld für Forschungsprojekte wie das „enable“-Cluster auszugeben ist nötig, um neue Akzente zu setzen. Zwar ist die Ernährungswirtschaft in Deutschland ein starker Wirtschaftszweig, dennoch werden in der Ernährungsforschung bislang sehr wenige F&E-Mittel (Forschung und Entwicklung) ausgegeben. „Die kürzlich vom Fraunhofer Institut (IVV) und der TU München mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung verfasste 'Studie zum Innovationssektor Lebensmittel und Ernährung' hat die aktuelle Situation treffend beschrieben. Wenn wir die Ausgaben in der Ernährungsforschung mit dem vergleichen, was in anderen Branchen investiert wird, ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, bekräftigt Hauner. „Wir geben im Gesundheitssystem mindestens 300 Milliarden aus – davon 99,5 Prozent für Kuration. Zwei Drittel dieser Gelder werden für Krankheiten ausgegeben, die im Großen und Ganzen durch eine gesunde Lebensführung vermeidbar wären. Das ist immer noch ein riesiges Missverhältnis!“

Zur "Studie zum Innovationssektor Lebensmittel und Ernährung“ vom BMBF Externer Link

Persönliches zu Prof. Dr. med. Hauner
Zeitung, Krimi oder Roman – in seiner wenigen Freizeit schätzt Hauner eine gemütliche Lektüre, geht aber auch regelmäßig laufen, um fit zu bleiben. In der Küche favorisiert er die feinen Geschmacksnuancen von Gewürzen und möchte sich mehr in diesem Gebiet experimentell betätigen. Der Ernährungsmediziner genießt insbesondere Gemüsegerichte und Eintöpfe sowie regionale Gerichte, die aber moderner, d. h. fettärmer und raffinierter zubereitet worden sind.
Prof. Hauner, geboren in Regensburg, studierte Humanmedizin an der Universität Regensburg und der TU München. Nach seiner Promotion an der Ludwigs-Maximilians-Universität München und anschließender Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Biochemie, Mikrobiologie und Genetik der Universität Regensburg verfolgte er eine klinische Weiterbildung zum Internisten mit dem Schwerpunkt Endokrinologie/Diabetologie an der Universität Ulm. Anschließend war er als leitender Oberarzt in der Klinischen Abteilung des Deutschen Diabetes Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf tätig. 2003 wurde er auf den neu gegründeten Lehrstuhl für Ernährungsmedizin an der TUM berufen.